EU-Politik

05.12.2021

Erstmals wieder in Präsenz

Herbsttagungen von UEVP und FVE

UEVP-FVE-Delegiertenversammlungen-Herbst 2021

Am 11. und 12. November 2021 fanden die Herbsttagungen des Europäischen Praktikerverbands Union of European Veterinary Practitioners (UEVP) und des Dachverbands Federation of Veterinarians of Europe (FVE) statt. Mit ersten vorsichtigen Schritten zurück in die „echte Welt“. Bei der UEVP kamen die Delegierten ausschließlich persönlich zusammen, dadurch freilich in dünnerer Besetzung als üblich. Bei der FVE gab es eine Präsenzsitzung mit zusätzlicher virtueller Teilnahme sowie mit elektronischen Wahl- und Abstimmungsmöglichkeiten für alle Teilnehmer. Den bpt vertraten Präsident Dr. Siegfried Moder, die 1. Vizepräsidentin Dr. Petra Sindern, Präsidiumsmitglied PD Dr. Andreas Palzer, Geschäftsführer Heiko Färber und Europareferentin Gabriele Moog.

Praktiker-Tagung

Am ersten Sitzungstag trafen sich die Sektionen, beim bpt also die UEVP. Die Agenda bestimmten das EU-Tierarzneimittelrecht und seine Folgerechtsakte sowie die Themen Mehrwertsteuer, die Entwicklung der Tierarzt-Ketten, Aus- und Weiterbildung sowie Tierschutz. In seinem Tätigkeitsbericht hob UEVP-Präsident Piotr Kwieciński den Erfolg der öffentlichkeitswirksamen Kampagnen der europäischen Tierärzteschaft im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Tierarzneimittelverordnung (TAMVO; Verordnung (EU) 2019/6) hervor. Ein entscheidender Pfeiler dafür war die Unterschriftenkampagne des bpt. Zum Thema Mehrwertsteuer ist eine Mehrheit der UEVP-Mitglieder offenbar an (möglichst einheitlich) verminderten Mehrwertsteuersätzen für Veterinärdienstleistungen interessiert. Sie versprechen sich davon niedrigere Verbraucherpreise und infolgedessen ein verstärktes Kundeninteresse an tierärztlichen Leistungen. Die deutsche Delegation vertritt demgegenüber den Standpunkt, ein solches Ansinnen gefährde Abzugsmöglichkeiten bei Investitionen, zumal ein nachfragebelebender Effekt nicht sicher ist.

Tierarztmangel als „heißes Eisen“

Dem allerorts zunehmenden Tierarztmangel auf dem Land und in abgelegenen Gegenden war ein eigener Themenblock als „heißes Eisen“ („hot topic“) gewidmet. Vertreter aus Frankreich, Italien und Finnland beleuchteten die jeweilige Situation. Vorab hatte sich der zuständige EU-Landwirtschafts- Kommissar Janusz Wojciechowski virtuell zu diesem Thema in die Sitzung einschalten wollen. Da er kurzfristig durch seinen Kabinetts-Chef Maciej Gołubiewski vertreten wurde, blieben die interessanten Rückfragen aus dem Auditorium letztlich weniger erkenntnisreich als erhofft. bpt-Präsident Moder gab Einblick in die Schwierigkeiten und Chancen rund um die tierärztliche Bestandsbetreuung. Nicht zuletzt stärkt das EU-Tiergesundheitsrecht (AHL) die Bestandsbesuche, denen sich der bpt schon seit Jahrzehnten verschrieben hat. Mit den zwischenzeitlich bereits aktualisierten bpt-Leitlinien haben die praktizierenden Tierärzte in Deutschland wertvolle Vorarbeit für eine effektive Umsetzung geleistet. Die ursprünglich ebenfalls geplante Überarbeitung der UEVP-Statuten einschließlich der Einführung eines neuen Beitragsschlüssels wurde nicht wieder aufgegriffen.

FVE tagt hybrid

Am zweiten Sitzungstag folgte die hybride FVE-Delegiertenversammlung. Für einen kurzen Videokontakt schaltete sich Stella Kyriakides, die zypriotische EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, in die Sitzung ein. Kyriakides lobte die gute Zusammenarbeit, zuletzt bei der Entscheidung des EU-Parlaments zu Antibiotika.

Neues Vorstandsmitglied

Weil die bisherige FVE-Vizepräsidentin Dr. Torill Moseng aus Norwegen ihr Amt aufgrund eines beruflichen Wechsels niederlegen musste, war die Position neu zu besetzen. Nachgewählt aus drei Kandidaten wurde Mette Uldahl aus Dänemark, die bis vor kurzem dem europäischen Dachverband der Pferdeveterinärverbände „Federation of European Equine Veterinary Associations“ (FEEVA) vorstand.

Tierarzneimittel- und -gesundheitsrecht

Der Dauerbrenner unter den Tagesordnungspunkten der letzten Jahre stand auch bei dieser Sitzung der FVE erneut im Fokus: die EU-Tierarzneimittelverordnung. FVE-Präsident Dr. Rens van Dobbenburgh blickte in diesem Zusammenhang zurück auf die außerordentlichen und erfolgreichen Anstrengungen, um im EU-Parlament eine Mehrheit für den delegierten Rechtsakt der Kommission über „Kriterien für die Einstufung antimikrobieller Mittel, die für die Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen vorbehalten sind“ zu organisieren. Der bpt hatte dazu mit seiner umfangreichen Unterschriftenkampagne gegen einen vomUmweltausschuss des EU-Parlaments(ENVI) initiierten Entschließungsantragmaßgeblich beigetragen. Der ENVI-Antraghätte im Ergebnis die Behandlung erkrankter Tiere massiv gefährdet. Die TAMVO schafft als Verordnung mit ihrem Wirksamwerden am 28. Januar 2022 unmittelbar geltendes Recht in allen EU-Mitgliedstaaten. Die erforderliche Sekundärgesetzgebung läuft weiterhin auf Hochtouren; sie manifestiert sich beispielsweise auch im neuen deutschen Tierarzneimittelgesetz. Der Arzneimittelarbeitskreis der FVE unter Beteiligung von bpt-Präsidiumsmitglied Palzer begleitet die weiteren Entwicklungen nahezu umfassend. Auch zur seit 21. April 2021 wirksamen Tiergesundheitsverordnung (EU 2016/429) wurden die Delegierten informiert. Sie bewirkt eine Zäsur in der Tierseuchenbekämpfung. Die Verordnung ersetzt und erweitert bestehende EU-Vorschriften zur Tiergesundheit und zieht deshalb erhebliche Änderungen der nationalen Vorschriften nach sich. Zudem hat die EU auch hierzu zahlreiche delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte erlassen. Einige warten noch auf Verkündung.

Tierschutzstrategie verabschiedet

Wie immer standen zahlreiche Tierwohlthemen auf der Agenda der Delegierten, etwa Wildtiere, Geflügel- und Kaninchenhaltung, Tiertransporte, Ausbildung und Verhalten oder Welpenhandel. Die Delegierten verabschiedeten außerdem zwei Positionspapiere. Mit dem ersten gibt sich die FVE eine neue, übergreifende Tierschutzstrategie für den gesamten Dachverband. Die Strategie wurde nach ausführlichen Beratungen mit FVE-Mitgliedern, Sektionen, europäischen Interessenverbänden und dem Internationalen Verband der Tiermedizinstudenten entwickelt. Sechs Themen hebt die Strategie besonders hervor: (Positive) Bewertung des Tierschutzes, Ethik, Gesetzgebung, Fürsprache, Bildung und internationale Vernetzung auch mit Blick auf Klima und Landwirtschaft. Das zweite Positionspapier steht unter der Überschrift „Über den Übergang zu tierschutzgerechten Abferkelsystemen“. Alle Positionspapiere sind abrufbar unter www.fve.org/publications.

EuGH eröffnet partiellen Zugang

Aus Frankreich gab es eine Zusammenfassung zu einer aktuellen Entscheidung des EuGH aus dem Februar 2021 (Az: C-940/19), die den (teilweisen) Zugang zu Gesundheitsberufen betrifft. Mehrere Berufsverbände des Gesundheitswesens waren in Frankreich in einen Rechtsstreit über Rechtsakte verwickelt, die bestimmte Aspekte des partiellen Zugangs zu den Gesundheitsberufen betreffen. Der französische Staatsrat hatte insofern die richtige Auslegung der Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (RL 2005/36/EG) klären wollen. Im Ergebnis hat das Gericht bestätigt, dass ein Mitgliedstaat auch Personen, die selbst nicht einem Gesundheitsberuf angehören, aber bestimmte Fähigkeiten erworben haben, einen partiellen Marktzugang gewähren können. Auch der Tierarztberuf könnte davon erfasst werden. Weitere Tagesordnungspunkte betrafen Fragen von Lebensmittelsicherheit und Nachhaltigkeit, Aus- und Weiterbildung, Informationen über Projekte der FVE sowie Bemühungen des Berufsstands rund um psychische Gesundheit, Vielfalt, Gleichberechtigung und die Einbeziehung von Minderheiten. bpt-Präsident Moder lieferte als FVE-Schatzmeister einen umfassenden Überblick zu Budget und Finanzen der Organisation. Die Beteiligten hoffen, im Juni 2022 im dritten Anlauf ihre Frühjahrsdelegiertenversammlungen im Präsenz in London ausrichten zu können.

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